Gründung und Geschichte des
Nördlichen Dortmunder Schützenbund e. V.
aus der Festschrift der 100 Jahrfeier 1979

von Wilhelm Eckey

 


Jede Stadt ist stolz darauf, wenn sie das Geburtshaus einer hehren Geistesgröße, oder ein Haus, in dem ein ungewöhnliches historisches Ereignis stattfand, vorweisen kann. Diese Häuser werden dann mit Fleiß in den alten Zustand gesetzt und als Gedenkstätten eingerichtet. Das Haus "Vogell" am Burgtor - Münsterstraße, hätte das auch verdient gehabt.
 

Nun war das Wirtshaus "Vogell" nicht für die ganze Stadt Dortmund repräsentativ, wohl aber für den nördlichen Stadtteil, wie wir gleich sehen werden. Dazu müssen wir zurückblenden in die Jahre 1879 -80. Damals waren die "Nordstädter" -, die sich in der Gründerzeit des Reviers prächtig unter Zuhilfenahme fremden Blutes vermehrt hatten -, durch die Köln - Mindener Staatsbahn von der Innenstadt fast getrennt; denn die Gleise überquerten die Münsterstraße noch ebenerdig. Es mussten also Schranken installiert werden. Diese wurden von Schrankwärtern bedient, die man die "Taumakers" nannte, weil ihnen, wenn sie die Schranken schließen sollten, vom nahen Bahnhof lauthals "taumaken" zugerufen wurde. Da Die Strecke Köln - Minden in dieser zeit schon stark befahren wurde, erklang der Ruf sehr oft. Und die Taumakers, ihrer Würde und Pflicht bewußt, ließen sich Zeit und warteten meist noch einen Gegenzug ab. Die Nordbürger, um keine kostbare zeit zu vergeuden, gingen dann ins Haus "Vogell", sich zu stärken.
Dieses Wirtshaus entwickelte sich zu einem Dreh - und Mittelpunkt des nördlichen Stadtteils. Man könnte es vergleichen mit dem "Hofbräuhaus" in München. Hier verkehrte alles was Rang und Namen hatte in der Nordvorstadt. Um nur einige zu nennen: der Bankier Isaak, der Bauunternehmer Lepping, die Kaufleute Gaßmann und Heymann und viele mehr. Aber auch für die Staatsbähner war es die Stammkneipe. Bei "Vogell" wurde alles durchgesprochen, was es an Tagesgeschehen gab. Es kam aber auch in vorgerückter Stunde manchmal Unmut auf, weil man sich vom Magistrat verschaukelt fühlte in der zum Teil berechtigten Annahme, daß vielen Steuereinnahmen aus der aufstrebenden Nordstadt an anderer Stelle verplempert wurden und nicht da, wo sie herkamen. In solch einer Stimmung hatte dann ausgerechnet der Betriebssekretär Flügge von der Staatsbahn die Idee, einen Verein zu gründen, der erstens die Bürger und Neubürger des Stadtteils einigen sollte, und zweitens mußte es ein Verein werden, der kraftvoll die Belange des Nordens gegenüber dem Magistrat und der Innenstadt vertrat. Beides erfüllte sich, indem man für diesen Verein den Namen wählte: "Nördlicher Dortmunder Schützenbund". Dieser Bund hat nun 100 Jahre, trotz schwerer Schicksalsschläge, für die er nichts konnte, überdauert. Sein Geburtshaus, das wir im Bild, zur Zeit der Jahrhundertwende aufgenommen, zeigten, ist das Haus "Vogell". Aus städtebaulichen Gründen konnte es nicht als Gedenkstätte eingerichtet werden.
 

Die Geburtsstunde des Nördlichen Dortmunder Schützenbundes hatte geschlagen. Der Funke, der von Flügges Idee ausging, zündete ein großes Feuer der Begeisterung an. Das zu einem Brandsturm anschwoll und den ganzen Stadtteil erfaßte. In allen Wirtschaften war der Diskussionsstoff Nr. 1 der "N.D.SCH:B"; hier wurden auch Listen ausgelegt, in der sich die Nordbürger eintrugen, die an diesem für den Norden wohl einmaligen, spektakulären Ereignis teilnehmen wollten. Und bald wiesen diese Listen hunderte von Mitgliedern auf. Daraus wurden 4 Kompanien gebildet, deren Hauptleute Bienfait, Kleffmann jun., Knipp und Krahn waren. Major wurde Bankier Isaak, der bald in den zivilen Vorstand überwechselte und nach Maurermeister Lepping im laufe der Jahre sogar Präsident wurde. Seinen Posten trat er an Kleffmann jun. ab. Dessen Hauptmann 's Posten wiederum wurde von C. Lohmann besetzt.
Man gab sich auch streng Satzungen. In einem Protokoll, das bei einer Großversammlung von mehreren hundert Personen im Sieverschen Saal gefertigt wurde, Heißt es: "Nördlicher Dortmunder Schützenbund. Unter vorstehenden Namen hat sich in dem hinter der Köln - Mindener Bahn liegende Stadtteil ein Verein gebildet, der die Schützenfeste in Dortmund nicht aussterben lassen will, der aber ebenfalls keine der südlich genannter Bahn wohnenden Dortmunder als Mitglieder aufnimmt. Es ist dies gewiß eine ganz entschiedene Maßregel, aber es läßt sich nichts daran ändern. Die Außenbürger wollen eben zeigen, was sie können."

Das zeigten sie auch, als sie drei Wochen nach Gründung des Bundes ihr erstes Schützenfest feierten. So groß war der Eifer, daß man an einem Sonntagmorgen vor dem Schützenfest einen "Auszug", vergleichbar mit unserem heutigen Regimentsausmärschen, durchführte. Man lese und staune! Zu diesem Zweck sollten sich alle Mitglieder um 5 Uhr morgens auf dem Steinplatz versammeln und mit Musik zum Lokal "Hobertburg" im Fredenbaumwalde marschieren. "Dort findet Formierung und übung der Kompanien statt."

Und am anderen Tage wurde in einer Zeitung berichtet: "der Nördl. Dortmunder Schützenbund scheint den Erfolg für sich zu haben, denn der erste Auszug fand gestern trotz miserablen Wetters unter starker Beteiligung mit gegen 200 Mann statt." Eine günstige Vorbedingung für das erste Schützenfest der "Nördlichen".

Nun lösten die Aktivitäten im Norden Dortmunds aber im inneren der Stadt heftige Reaktionen aus. Der Bürgerschützenverein von 1388, der 1874 sich zur Ruhe gesetzt hatte, wurde wie durch einen Kanonenschuss aufgeweckt. Dieser Verein sah seine Felle davonschwimmen und er aktivierte alles, was er auf die Beine bringen konnte, um es den "Nördlichen", die er für Halbstarke hielt, zu zeigen. Und genau das brachte den neu gegründeten Bund auf Trab. So feierten denn beide, der Nördliche Dortmunder Schützenbund und der Bürgerschützenverein von 1388, zur gleichen Zeit ihre Schützenfeste, die ersteren auf der "Hobertsburg" mit mehr Volksfestcharakter, die anderen auf dem Fredenbaum. Obwohl ein harten Wettstreit, wer wohl der Bessere sei, entbrannt war, vertrug man sich gut, trotz mancher Sticheleien.
Ja, man besuchte sich sogar mit großem Gefolge untereinander. Ein behutsam vorgebrachter Wunschgedanke von Seiten der Bürgerschützen, man könne sich doch zusammentun, überhörten die gewitzten "Nördlichen" geflissentlich.
Auf jeden Fall hat die Tatsache, dass beide Vereine an ein und denselben Tage ihre Feste feierten, eine große Bedeutung für den nördlichen Stadtteil gehabt. Er wurde dadurch im bildlichen Sinne an die Innenstadt, aber auch an den Magistrat herangeführt. Und in der Folgezeit bis 1892 besuchten und förderten die Oberbürgermeister Lindemann, Arnecke und Schmieding regelmäßig die Schützen- und Volksfeste des Nördlichen Schützenbundes. Ein sauberer Beweis dafür ist diese Urkunde.
Nach dem Jahre 1880 feierten die "Nördlichen" ihre Feste in schöner Regelmäßigkeit, mit einmaliger Unterbrechung 1896, bis 1899. Danach trat eine Pause ein bis zum Jahre 1901. Auf diesem Fest, das als "Weiderauferstehungsfest" gefeiert wurde, wurde beschlossen, für das 25jährige Bestehen alle Kräfte anzuspannen. Darauf kommen wir noch zurück.

Lieber Leser, wir haben gesehen, wie der erste Wunschgedanke der Gründer unseres Bundes in Erfüllung ging. Damals konnte es noch keine Tradition geben für den Nördlichen Dortmunder Schützenbund. Wir dürfen aber heute den Geburtshelfern abnehmen, dass sie auch über einen längeren Zeitraum nachdachten, über das erste Ziel hinaus. Männern mit solch einem Wagemut, die innerhalb von wenigen Wochen einen Schützenbund auf die Beine stellten, muss man das glauben. Man mag daran Zweifeln, dass sie das Bestehen von 100 Jahren voraus sahen, dass sie ahnten, wie groß und stark der Bund heute ist, wie groß auch seine sportlichen Erfolge sind.

Aus besonderen Gründen, die durchschaubar sind, muss ich rückwirkend noch einen Erzeuger unseres Bundes vorstellen: Eduard Habich. Er war Besitzer der Borussiabrauerei, die unter diesem Namen bis 1904 bestand. Nach seinem Tode übernahm der Dortmunder Bankverein das Unternehmen und gab ihm den Namen "Hansbrauerei", die wiederum zur DAB gehört, unserer großen Schirmherrin. Aber ich wollte von Habich erzählen. Er saß in der Gründungszeit mit 5 Bierbrauern im Stadtverordnetenkollegium und war ein wortgewaltiger Mann. Er war so mutig, dass er das Wort prägte: "Im Norden geht die Sonne auf". Wieso mutig? Nun, es gehört schon etwas dazu, den Lauf der Gestirne gegen die Erkenntnis von Kopernikus auf den Kopf zu stellen. Den Aufgang der Sonne in den Norden zu verlegen, zeigt aber nochmals schlagartig, wie groß die Begeisterungswelle damals war.

     

Die 25-Jahrfeier. Es sollte etwas ganz besonderes daraus werden. Das ist auch gelungen. Die Schützenbrüder und die Schützenschwestern waren 1901 beim sogenannten Auferstehungsfest so heiß gemacht, dass sie bis zum Jahr 1905 dem echten Jahr, nicht warten konnten. Denn es steht fest, dass Gründungsjahr war 1880. den endgültigen Beweis liefert unser plattdeutscher Heimatdichter Karl Prümer. Er schreibt in seiner Chronik über Dortmund, die er mit viel Humor, aber auch mit historischer Genauigkeit verfasste: "1880 sunnerten sik dä "Nördlichen" af un fierten as Nördlicher Dortmunder Schützenbund ehr aigenet Fest. Auk dä hätt sik guat rutmaket un verstoht mit iärem Gelle Huus to hollen. An Schützenthal sünd sä all liängstr den Bürgerschützen uöver." Der musste es ja wissen, denn er erlebte die Gründung, obwohl er im Süden der Stadt wohnte. Nun, die Täuschung von einem Jahr älter machen können wir niemals verleugnen. Der neugierige und aufmerksame Leser fragt doch, auch beim Lesen der kurzen Chroniken der älteren Abteilungen unsers Bundes, wie kommen die "Nördlichen" auf das Gründungsjahr 1879? Die Mogelei kommt von den oben erwähnten 25jährigen Jubiläumsfest. Und sie wurde konsequent bis heute übernommen. Nun ist es eine Tatsache, dass attraktive Frauen sich jünger machen, Schützenvereine sich älter.
Bei den uralten Schützenvereinen wurde vielleicht um 100 Jahre geschummelt, bei uns nur um ein Jahr. Ist das nicht zu verzeihen?

An dem 25. Jubiläumsfest waren aber schon fünf Kompanien und die Kavallerieabteilung beteiligt. Danach erschöpfte sich die Begeisterungsfähigkeit. Erst im Jahre 1907 raffte man sich auf, es nochmals zu wagen. Aber es war so recht kein Schwung mehr drin, wohl deswegen, weil Kaisers Geburtstag, Sedanfeier und andere nationale Feste sich so häuften, dass für Schützenfeste kein Bedarf mehr war. So schlummerte der Nördliche Dortmunder Schützenbund bis zum Jahre 1926 ein, denn in den Kriegsjahren 1914 - 18 und der wirren Nachkriegszeit, war nichts mehr machbar.

Als am 12. Juli 1926 sechs Bürger der Nordstadt im Lokale der Witwe Voß, Kiel- und Heroldstraße Ecke, eine Auferstehung planten, gelang die Wiederbelebung. Initiator war Herr Karsch. Mit dem Planen allein war es aber auch nicht getan. Die Idee aber zündete. Die Zeiten hatten sich nun mal geändert. Da musste man dem Bund weitere Ziele setzen als 1880. Diese waren: Geselligkeit, Unterstützung arbeitsloser Schützenmitglieder - man denke nur an diese Jahre - und Schiesssport. Der Grundsatz von 1880, für den Norden Dortmunds etwas herauszuschinden, ging bei alledem nicht verloren. Der neu formierte Bund hatte Kontakt mit den Behörden der Stadt, die ihm auf manchen Gebieten entgegenkamen. Es ist festzustellen, dass die Wiederbelebung nicht so spontan erfolgte wie die Gründung. Aber es ging aufwärts. 1927 hatte man schon wieder vier Kompanien. Den zündenden Funken brachte aber erst die Errichtung eines Schiessstandes bei dem Wirt "Groß - Oettringhaus" in Brechten auf dem Knapp. Er hielt die Schützen mehr als bisher bei der Stange. Am 1. und 2. Pfingstfeiertag wurde er eingeweiht. Herr Karsch, der den Anstoß gab, für den wir ihm Dank schulden, war aber auf der Dauer nicht in der Lage, einen starken Bundesvorstand auf die Beine zu stellen. Das brachte Carl Ewald Grobe zuwege.

Er versammelte um sich einen Vorstand von hoher Qualität. Ich nenne nur ein paar Namen: Franz Bönkhoff, Adolf Oberwinter, Willy Haus und der langjährige Direktor der Hansbrauerei Dr. Heller. Um nach Außen und nach Innen besser wirken zu können, beschloss man, eine Vereinseigene Zeitung herauszugeben. Die erste Ausgabe erschien am 1. April 1927. Das blieb kein Aprilscherz. Nach mehreren Umbenennungen und Umgestaltungen erscheint sie noch heute monatlich unter "Schützenzeitung Nördl. Dortmunder Schützenbund". In der Tat war dies ein Entschluss, der half neue Mitglieder zu gewinnen und die alten beisammen zu halten. Den Geist, der die Männer um Grobe damals beseelte, beschreibt er selbst in einem Aufruf, der im ersten Blatt veröffentlich wurde. Es heißt u.a. darin: "Grundbedingung für das Blühen und Gedeihen des Bundes ist selbstverständlich, dass derselbe auf solider Grundlage aufgebaut wird. Eine große Korporation kann nur bestehen, wenn im gegenseitigen großen Vertrauen Hand in Hand gearbeitet wird. Vergessen wir nie, dass Fragen der Politik und der Religion in unserer geselligen Vereinigung nicht erörtert werde dürfen. Wir wollen die Neutralität in diesen Fragen dadurch bezeugen, dass wir die überzeugung eines jeden achten und ehren.
Grün -weiß allewege."
Der wiederauflebende Schützenbund blühte und gedieh. Wenige Monate später konnte man in der Schützenzeitung nachlesen: "Dass der Nördliche Dortmunder Schützenbund von den Bürgern als eine Notwendigkeit angesehen wurde, ergibt sich daraus, dass heute schon, also kurze Zeit nach der Neubelebung rund 1100 Mitglieder vorhanden sind." Mittlerweile standen schon wieder sechs Kompanien, Reiterabteilung und die Jungschützen - Kompanie. Die Vorbereitung für das goldene Jubiläum wurden stark vorangetrieben. Es fand von 29. Juni bis zum 2. Juli 1929 statt. Es wurde ein glänzendes Fest. Die Bundesvorstandsdamen und Offiziersdamen schenkten dem Bund ein Schellenbaum, die eingeschriebenen Schützen erhielten eine vergoldete Erinnerungsmedaille, ein großes Festbuch wurde im Auftrage des Bundesvorstandes von Willy Haus herausgegeben, in dem auf den ersten Seiten unser Heimatdichter Karl Prümer diese Verse Schrieb:

 

Zum goldenen Jubiläum des Nördlichen Dortmunder Schützenbundes

Das Schützenpaar einigte den Norden,
Im Laubenschmuck prankte festlich Haus für Haus,
Durch Einigkeit sind wir stärker geworden,
Den Geist der Zwietracht treiben wir hinaus.
In Hoffnung stark soll unser Banner wehen,
Es leucht` uns vor, in Farben grün und weiß,
Einmütig wollen wir des Weges gehen,
So sind wir stark, nur so winkt uns der Preis.
 

Nun lasse uns zum Jubelfeste gehen,
Doch vorher noch entblößet Euer Haupt,
Und lasset im Geiste wieder auferstehen Die Alte Schar, die uns der Tod geraubt,
Die mit uns einst in Reih` und Glied gestanden,
Zum Heil dem Schützenbund, als Nordens Zier,
Die ausgekämpft, den ew`gen Frieden fanden,
Wir denken Deiner heut` und danken Dir.

Unsere Schützenfeste wurden weiter gefeiert. Die Machtergreifung durch die Nazis mit ihrer Gleichschaltungswelle verschonten auch den Bund nicht. An die Fahnenstangen wurden Fahnenschleifen mit Hakenkreuzen gehängt. Mancher Hauptmann wird ein "Brauner" gewesen sein. Zu Beginn des 100jährigen Reiches wurde sogar die 7. Kompanie gegründet. Dann kam der 2. Weltkrieg und setzte ein "aus".
Der Neubeginn für den Bund war schwer. Immerhin kamen die Nördlichen aber diesmal schneller in Schwung als nach dem ersten Weltkrieg. Die alten Getreuen trafen sich schon Ende der vierziger Jahre. Wer waren die alten Getreuen? Max Pörtner, der Sohn von Konrad Pörtner, der schon 1904 als Oberst das Regiment führte, Willy Haus, der 1907 dem Bund beigetreten war, Heinrich Eckervogt, Fritz Busemann, Josef Brei, Emanuel Diekmann, Heinz Grewe und andere.

Anfangs tarnten sich die Schützen gegen die Besatzer, die alles verboten, was mit Schützen und mit Schiessen verbunden war aus Angst, es könnte ihnen etwas passieren, obwohl sie noch Atombomben hatten, gegen die ein Luftgewehr wahrhaftig nicht ausrichten kann. Die "Nördlichen" tagten unter dem Namen "Nördlicher Bürgerverein". Durch Zähigkeit, Fleiß und Gewitztheit konnte man dem Kulturamt der Stadt abhandeln, dass man wieder unter dem Namen Nördlicher Dortmunder Schützenbund auftreten konnten. Und so kam es dann, dass dieser Bund nach dem zweiten Weltkrieg schon 1949 wieder aufleben konnte. Es steht in der Schützengeschichte von Westfalen und Lippe, herausgegeben vom Westfälischen Schützenbund, aus Anlass seiner Hundertjahrfeier 1961, folgendes: "Der Verein umfasst nahezu 1000 Mitglieder aus allen Schichten der Bevölkerung, von welchen sich etwa 180 schiesssportlich betätigen. An der Pflege des Heimatgedankens und des Brauchtums sind fast alle Kameraden interessiert. Bekannt sind über dem Rahmen Dortmunds hinaus die alljährlich stattfindenden Schützenfeste, die jeweils zum Volksfest des gesamten Nordens geworden sind. In diesem Zusammenhang erscheint es erwähnenswert, dass der Nördliche Dortmunder Schützenbund seine jährlichen Schützenfeste nach dem zweiten Weltkrieg bereits seit 1950 abhalten konnte. Mit Fug und Recht kann behauptet werden, dass von hier aus starke Impulse auf die gesamte Schützenbewegung im Kreise Dortmund ausgestrahlt wurde."
Erster Präsident war Max Pörtner, der bald aus Altersgründen ausschied und Ehrenpräsident wurde. Dann übernahm Willy Haus die Regierung. Unter seiner Präsidentschaft entwickelte sich der Bund kraftvoll. Alle zwei Jahre wurde das Schützen- und Volksfest unter großer Anteilnahme der Bevölkerung gefeiert. 1954 fand das 75jährige Jubelfest statt. Das Regiment stand wieder mit sieben Kompanien, Reiter- und Artillerieabteilung unter dem Kommando von Oberst Heinrich Eckervogt. Nach dieser 75 - Jahrfeier war der Nördliche Dortmunder Schützenbund wieder auf einem Höhepunkt in seiner Geschichte angelangt, auf dem er zielstrebig vom jeweiligen Bundesvorstand weiter geführt wurde.
In einem Rückblick auf die 80jährige Jubelfeier 1959 schrieb der damalige 1. Präsident und Direktor der Hansabrauerei Willi Rosen (er hatte den verstorbenen Willy Haus abgelöst ) stolz in der Schützenzeitung: "Als am 26. Juni 1959 gegen 21.30 Uhr auf dem Nordmarkt die Bewohner des nördlichen Stadtteils in unübersehbarer Menge erschienen waren, um Zeuge des Auftaktes zu unserem diesjährigen Schützenfest zu sein, da konnte man mit Freude der Bürger des Nordens an unserem Schützenfest feststellen und wenn später die Zeitungen schrieben: ,Der ganze Norden feierte mit', so sahen wir darin das äußere Zeichen der Verbundenheit mit allen nördlichen Bürgern."
Die 90jährige Jubelfeier zeigte noch mehr diesen Aufwärtstrend. Der damalige und heutige 1. Präsident schrieb in einem Grußwort der Jubiläumsschrift: "Bereits vor dem 2. Weltkrieg waren wir in der glücklichen Lage, einen Schiessstand zu besitzen. Aus dieser Erkenntnis heraus, bedingt durch den kolossalen Aufschwung des sportlichen Schiessens und der großen Beteiligung der Jugend, wurde es klar, solch eine Stätte der modernen Zeit angepasst, wieder erstehen lassen."
Dafür haben alle Nachkriegspräsidenten, Max Pörtner, Willy Haus, Willi Rosen, Emanuel Diekmann und der heutige Franz Hindermann, hart gearbeitet mit ihren Vorstandskollegen. Aber auch die Könige und Königinnen dieser Zeit, vom Königspaar August Schmidt - Frau Haus angefangen bis zum heutigen Bruno Kosche und Wally Kosche, haben tatkräftig mitgewirkt. Auf einem besonderen Ball in diesem Buch sind sie alle namentlich aufgezeichnet. Sie, die Präsidenten, die Königspaare und die Bundesvorstandsmitglieder standen aber nicht allein für die Sache ein. Mit ihnen arbeiteten Hunderte von Schützen aller Altersklassen, ohne Unterschied des Ranges und der Herkunft in 28.502 freiwillig geleisteten Arbeitsstunden mit. So lautete die Meldung an die Bauberufsgenossenschaft. Die Bauzeit Betrug fast 10 Jahre. Am 12. November 1958 bekam der NDSB den Bauschein 3631/58 zu Hd. Von Herrn Eckervogt der, der "eiserne Heinrich" genannt wurde und damit die Genehmigung für die Errichtung eines Schiessstandes mit Schützenhalle auf dem Gundstück Burgholzstr. 233.

Am 11. November 1967 war die Einweihung. In den Jahren dazwischen wurde das verkommene Gelände zwischen zwei Bahndämmen aufgeräumt, Pläne gemacht und verworfen, eine Bausteinaktion in die Wege geleitet, um Spenden gebeten, die meistens aus den eigenen Reihen kamen und geschuftet. Aber es gab auch Zweifler am Gelingen. Doch die Schützen, die ihren Urlaub opferten für die Sache und die Beharrlichen unter uns brachten das Werk zur Vollendung. Zu denen zählten bestimmt diese beiden Männer, die wir stellvertretend für die fleißigen, freiwilligen Helfer, Ihnen, Liebe Leser, im Bild vorstellen: Walter Arck und Fritz Doege.
Sie waren alte, kernige Schützen, Rentner zwar, aber fast jeden Tag auf dem Baugelände. Hier hatten sie ihr zweites Zuhause. Walter Arck lebt noch als Ehrenmitglied unter uns. Fritz Doege verstarb, er konnte aber noch die Fertigstellung unseres Vereinsheimes und der Schiesssportanlage miterleben. übrigens können Sie, lieber Leser, im Bild unser Vereinsheim von der Straße her an anderer Stelle dieses Festbuches sehen. Leider konnten wir uns keinen Hubschrauber erlauben, um den ganzen Komplex ins Bild zu bringen.
Mit Fug und Recht können wir behaupten, dass diese Anschaffung wohl die größte Tat war, die der Nördliche Dortmunder Schützenbund in seiner Geschichte schuf. Wenn wir jetzt zurückdenken an die Gründungszeit, in der fröhliche Feste gefeiert wurden, dann können wir ermessen, welchen Weg unser Verein in den 100 Jahren gegangen ist. Das Vereinsheim und die Schiesssportanlage binden unseren Bund so fest, dass in Zukunft keine Gefahr besteht, dass er wieder schlafen geht.
 


[Angefertigt von Josef Leopold Hauptmann der 1. Kompanie]

 

 


Die Sportabteilung stellt sich vor

Das Sportschiessen hat sich innerhalb unseres Vereins nur sehr langsam bis zu seiner heutigen Bedeutung entwickelt. Soweit uns Material zur Verfügung steht, können wir davon ausgehen, dass sich das Schiessen erst in den 20er Jahren vom Hobby - zum Leistungssport entfalten konnte. Das traditionelle Königsschiessen war bei den Nördlichen der Ursprung der sportlichen Entwicklung. In den 20er Jahren begannen einige Schützen unseres Bundes mit dem Schiessen als Leistungssport. Die zunächst kleine Gruppe weitet sich sehr schnell aus, sodass ab 1927 die ersten Nördlichen Dortmunder Schützen bei Meisterschaften auf Kreis-, Gau- und Landesebene mitmischten. Nach 1930 bis zur Auflösung unsers Bundes waren die Sportschützen unseres Vereins stark beachtete Gegner, die viele Meistertitel mit dem Kleinkaliber, ganz besonders aber auch mit dem Großkalibergewehr nach Dortmund holen konnten.
Die Meisterschützen dieser Zeit waren es auch, die bereits 1949 mit dem sportlichen Schiessen wieder begannen. Ein zum Kriegsende verstecktes Luftgewehr, Baujahr 1938, wurde von mir durch Verbesserung an der Visierung, dem Abzug und der Schäftung zu unserem ersten Sportgerät nach dem Kriege umgebaut. Jetzt fehlte ein Schiessstand. Zunächst diente da ein alter Blechkugelfang. Kurze Zeit später, nachdem weitere Luftgewehre wieder aus den Verstecken auftauchten, wurde von Karl Schuld sen. und jun. Ein dreiteiliger, zusammenklappbarer Luftgewehrstand konstruiert und zur Verfügung gestellt. Die sportlichen Regeln wurden zunächst von uns selbst erfunden, denn der Westfälische oder Deutsche Schützenbund war zu dieser Zeit noch nicht wieder gegründet. So begann das sportliche Schiessen mit dem Luftgewehr auf 8 m als Dreistellungskampf, liegend, kniend, stehend. Als Pritsche dienten zwei Tische, wobei der vordere durch Unterlegen von Bierdeckeln in die entsprechende Schräglage gebracht wurde.
Nach diesen Regeln organisierte 1950 unser Bundesschiessmeister Ferdinand Grah sen. die erste Meisterschaft. Sie nannte sich Meisterschaft von Alt - Dortmund, da bis dahin außer uns Nördlichen nur die Bürgerschützen Dortmund mit dem Schiesssport begonnen hatten. Für unseren verein starteten bei diesem Wettkampf als erste Mannschaft Martin Bauernschmidt, Karl Schuld jun., Walter Samorey und Ferdinand Grah jun.. In der zweiten Mannschaft schossen Erich Mertins, Anton Schmidt, Fritz Hoff und Ferdinand Grah sen.. Unsere erste Mannschaft wurde Mannschaftsmeister. Ebenso konnte der und zweite Platz in der Einzelwertung von unseren Schützen errungen werden.
Mit der Wiedergründung des Westfälischen und Deutschen Schützenbund 1951 wurde auch das Sportschiessen wieder organisiert und durch die Schaffung der Sportordnungen nach einheitlichen Regeln ausgerichtet. Unser Verein verfügte zu dieser Zeit bereits über eine große Anzahl Sportschützen, die durch unseren frühzeitigen Beginn von Anfang an zu den leistungsfähigsten innerhalb des Westfälischen Schützenbundes zählten. So waren unsere Sportler bis heute bei jeder Kreis-, bezirks- und Landesmeisterschaft erfolgreich vertreten. Auch die organisatorische Entwicklung des Schiesssports auf Kreis- und Bezirksebene sowie auch auf Landesebene wurde ganz wesentlich gerade in der schwierigen Aufbauphase durch unseren Vereinssportleiter Ferdinand Grah sen. geprägt, der in dieser Zeit die Funktion des Kreis- und Bezirkssportleiters übernahm und die erste Landesmeisterschaft mit dem damaligen Landessportleiter Willi Lang, Meinerzhagen, auf unseren Luftgewehrständen im Vereinshaus St. Josef an der Heroldstraße ausrichtete.
Zur Zeit gehen etwa 300 unserer Mitglieder intensiv dem Schiesssport nach. An den Rundenwettkämpfen des Westfälischen Schützenbundes beteiligen wir uns mit über 20 Mannschaften. Unsere erste Luftgewehrmannschaft schiesst dabei in der höchsten Klasse, der Oberliga - Nord. Weitere Mannschaften sind in der Landesliga und der Bezirksklasse vertreten, die restlichen zählen zu den besten der Kreisklasse.
Seit die Nördlichen Dortmunder Schützen über eine eigene Schiesssportanlage an der Burgholzstraße verfügen, ist das Leistungsniveau gerade in den Kleinkaliber - Wettbewerben gewaltig gestiegen. Bereits 1969 konnte erstmalig eine Mannschaft des Nördlichen Dortmunder Schützenbundes bei der Deutschen Meisterschaft das oberste Treppchen bei der Siegerehrung besteigen. Insgesamt errangen unsere Sportschützen bis heute bei den Deutschen Meisterschaften zwei Gold-, sieben Silber und drei Bronzemedaillen. Für das Leistungsvermögen unserer Schützen, zu denen seit einiger Zeit auch eine gut geführte Bogengruppe gehört, sollen nachfolgen einige Zahlen sprechen. Bei der Kreismeisterschaft 1978 gingen neben einer Anzahl Einzelschützen 42 Mannschaften unseres Vereins an den Start. In den Jahren 1976 bis 1978 wurden bei den Kreismeisterschaften 70 erste, 75 zweite und 48 dritte Plätze errungen. Von den Bezirksmeisterschaften im gleichen Zeitraum brachten unsere Schützen 40 erste, 23 zweite und 15 dritte Plätze mit nach Hause. Letztlich wurden bei den Landesmeisterschaften in dieser Zeit 28mal der erste, 14mal der zweite und 9mal der dritte Platz belegt.
Zu den sportlich größten Erfolgen kam es Ende 1978. Nachdem unser Mitglied Christian - Michael Zeisner bei der Europameisterschaft 1978 in der DDR bereits eine Bronzemedaille erringen konnte, kam er, vorbildlich vom Bundestrainer Lothar Schriever betreut, der ebenfalls unserem Verein angehört, bei der Weltmeisterschaft1978 in Seoul/Korea zu seinen größten Erfolgen. In der Disziplin Laufende Scheibe - Olympisches Programm - Mannschaftswettbewerb wurde er Weltmeister. Wenige Tage später schaffte er dann im Wettbewerb Laufende Scheibe - Gemischter - Lauf - Mannschaft noch eine Silbermedaille. So haben wir im Jubiläumsjahr unseres Vereins einen amtierenden Welt - und Vizeweltmeister in unseren Reihen.
Die Leistungsfähigkeit unserer Sportschützen kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass je ein Sportschütze dem A- und B- Kader des Deutschen Schützenbundes angehört und somit Mitglieder unseres Vereins bei vielen Länderkämpfen und großen internationalen Sportveranstaltungen vertreten sind. Der Westfälischen Landesauswahl gehören insgesamt acht Sportler unseres Vereins an, die im wesentlichen dazu beigetragen haben, dass der Nördliche Dortmunder Schützenbund weit über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus bekannt wurde. Für den guten Ablauf des Sportbetriebs sorgen zur Zeit acht lizenzierte Fachübungsleiter, wie B - Trainer des Deutschen Schützenbundes und vier geprüfte Jugendleiter.

 


 

Im übrigen fanden vom 11. bis zum 27. Mai 1979 aus Anlass des 100jährigen Bestehens des Nördlichen Dortmunder Schützenbundes Schiesssportwochen statt, am 13. Mai zusätzlich ein Bogenschützenturnier. Die Termine wurden bewusst so gewählt, damit unseren Sportfreunden durch eine Teilnahme an der Veranstaltung eine Vorbereitungsmöglichkeit auf die Landesmeisterschaften gegeben wurden. Schirmherr dieser Großveranstaltung war die Dortmunder Aktienbrauerei.
 

Verfasst von Erika Schwarz